Standort
Comhard GmbH
Möllendorffstraße 52, 10367 Berlin

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Interview mit Frau Dr. Petra Hübner

Was ist eine modulare Nachqualifizierung?

Mit einer Ausbildung oder Umschulung muss man den Berufsabschluss in einem Zug schaffen. Wenn man zwischendurch abbricht, und sei es im letzten Jahr, hat man keinen Abschluss in der Hand und kann sich i. d. R. keine Leistung anerkennen lassen. Bei einer modularen Nachqualifizierung können berufliche Vorerfahrungen (z. B. aus abgebrochenen Ausbildungen, aus Beschäftigungsverhältnissen im Berufsbereich) anerkannt und so Qualifizierungszeiten bis zum Berufsabschluss verkürzt werden. Nachgeholt werden nur die Inhalte/Module, die für den Berufsabschluss noch fehlen.

Wie lang ist eine modulare Nachqualifizierung?

Das hängt von den beruflichen Vorerfahrungen ab, die bereits anerkannt werden können, und damit von der Anzahl der Module, die bis zum Berufsabschluss noch absolviert werden müssen. Für eine Zulassung zur Abschlussprüfung bei der IHK muss man die Regelausbildungszeit für den jeweiligen Beruf nachweisen können. Das heißt z. B. für einen Beruf mit dreijähriger Ausbildungszeit: Die Zeiten, die man an anerkannten beruflichen Vorerfahrungen mitbringt, und die Zeiten, in denen man Module in der Nachqualifizierung absolviert hat, werden addiert. Beide Zeiten zusammen müssen mindestens drei Jahre ergeben. Wer schon umfangreiche Vorerfahrungen mitbringt, braucht ggf. nur das Modul Prüfungsvorbereitung absolvieren und kann in einer Zeit von bis zu sechs Monaten den Berufsabschluss erwerben.

Was hat sich in den letzten Jahren in diesem Bereich verändert?

Leider nicht genug. Die modulare Nachqualifizierung ist noch immer nicht genügend bekannt. Darüber hinaus gibt es nach wie vor noch zu wenige Berufe, für die der Berufsabschluss auf dem Weg der Nachqualifizierung angeboten wird. Darum tun wir alles, um den Bekanntheitsgrad zu erhöhen und weitere Bildungsanbieter zu motivieren, Nachqualifizierungsangebote in weiteren Berufen zu entwickeln.

Hatte der veränderte Arbeitsmarkt in den letzten Jahren Auswirkungen auf die Weiterbildungen?

Seit vielen Jahren ist es bekannt, dass der zunehmende Fachkräftebedarf nicht mehr allein über die Erstausbildung von jungen Erwachsenen gedeckt werden kann. Sogenannte Geringqualifizierte, also Erwachsene ohne Berufsabschluss, verfügen aber schon über vielfältige berufliche Vorerfahrungen, können sich in relativ kurzer Zeit zu Fachkräften entwickeln und so zur Deckung des Fachkräftebedarfs beitragen. Hinzu kommt, dass gerade Menschen ohne Berufsabschluss durch die Veränderungen am Arbeitsmarkt zunehmend von Arbeitslosigkeit bedroht sind, weil Hilfs- und Helfertätigkeiten in hohem Tempo weiter abnehmen. Aber, wie schon gesagt, wer die Möglichkeiten der Nachqualifizierung nicht kennt, kann auch die Vorteile nicht nutzen. Selbst wenn Vorteile bekannt sind und Interesse an Nachqualifizierung bestand, hat die Corona-Pandemie dazu geführt, dass die Teilnehmerzahlen stark zurückgegangen sind. Und das betrifft besonders den Anteil von Frauen mit Familienverantwortung. Durch familiäre Verpflichtungen, besonders durch das Homeschooling, stark belastet, haben viele Frauen davon Abstand genommen, sich selbst noch auf den Weg zum Nachholen eines Berufsabschlusses zu machen.

Wann sollte man sich für eine modulare Nachqualifizierung entscheiden?

Unsere Zielgruppe geht von 25 bis 40, wir freuen uns aber auch über alle Teilnehmer/-innen, die  älter sind. Wenn man bis 67 arbeiten muss, warum sollte man dann nicht auch mit 50 noch eine Nachqualifizierung machen? Meistens dauert die Nachqualifizierung dann auch nicht so lange, da diese Teilnehmer/-innen oft viel Berufserfahrung vorweisen und dann recht schnell einen Berufsabschluss erwerben können.

Was ist SANQ?

SANQ steht für Serviceagentur Nachqualifizierung Berlin. SANQ war ein vom Bildungsministerium initiiertes Projekt der Bundesinitiative „Perspektive Berufsabschluss“ zur Nachqualifizierung in Berlin. Das Projekt endete 2012. Leider ist mit dem Auslaufen der Projektförderung häufig auch ein Versanden der Projektergebnisse verbunden. Damit das in Berlin nicht passiert und der relativ neue Weg zum Berufsabschluss sowie die damit verbundenen Vorteile erhalten bleiben, haben wir uns als Bildungsdienstleister zusammengeschlossen und das „SANQ Netzwerk für Nachqualifizierung und berufliche Bildung“ als gemeinnützigen Verein gegründet. Seitdem setzen wir uns für die Förderung der Nachqualifizierung in Berlin ein.

Warum ist Ihnen das Thema Weiterbildung persönlich wichtig?

Weil das Thema Weiterbildung vor dem Hintergrund der gravierenden Veränderungen am  Arbeitsmarkt eine ganz zentrale Frage für die Zukunft ist. Persönlich liegt mir vor allem am Herzen, wie sicher deutlich geworden ist, Erwachsenen die Chance zu eröffnen, Berufsabschlüsse nachzuholen. Wir arbeiten auch mit vielen Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten, die oft Berufsabschlüsse oder vielfältige berufliche Vorerfahrungen  mitbringen, die hier aber nicht anerkannt werden. Deshalb bleiben ihnen oft kaum berufliche Perspektiven, meist nur Helfertätigkeiten und Beschäftigungen in prekären Arbeitsverhältnissen. Die Entwicklung von sogenannten Geringqualifizierten zu Fachkräften ist aber nicht nur eine Frage der persönlichen beruflichen Perspektiven. Wie die IHK zu Berlin einschätzt, ist in den nächsten Jahren in Berlin damit zu rechnen, dass jede 4. Facharbeiter- oder Meisterstelle aus Mangel an Fachkräften nicht mehr besetzt werden kann. Deshalb ist das Thema auch eine zentrale Frage der wirtschaftlichen Zukunft in Berlin.

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